
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ziemlich teuer kommt CONDOTTIERE von Eurogames daher. Geboten wird aber einiges in diesem kartengesteuerten Strategiespiel mit einem metallischen Condottiere, der sage und schreibe 150 Gramm Lebendgewicht auf die Küchenwaage bringt. Fein ziseliert ist er eine „naturgetreue Nachbildung der Statue des Condottiere Colleoni“, wie in der Spielanleitung zu lesen ist. Sie steht real heute noch in Venedig und zählt zu den bekanntesten Reiterstatuen weltweit.
Wegen einer solch gewichtigen Figur kauft man in der Regel kein Spiel, es muss schon was taugen. Die Idee des französischen Autors Dominique Ehrhard, der bisher durch das Ballonspiel MONTGOLFIERE auffiel, und des Italieners Duccio Vitale, der mit VERTIGO, FIEF 2 und Kriegssimulationen wie KURSK 1943 bisher auf sich aufmerksam machte, würde auch ohne große Startspielerfigur überzeugen.
Zwei bis sechs Anführer von Söldnerarmeen, Condottiere eben, streiten um frühneuzeitliche Provinzen Italiens. Im Zeitalter der Renaissance entstanden damals Dynastien wie die Medici und Sforza. Der Kampf um die 17 Regionen Italiens wird Runde für Runde mit zu Beginn zehn Spielkarten ausgefochten. Das sind meistens Söldnerkarten mit Kampfwerten zwischen 1 und 10. Vogelscheuchen, Trommler, Bischöfe, Übergabe-Karten, Heldinnen und Wintereinfall ergänzen die Kartenoptionen.
Die Kartenschlachten um die Provinzen enden, wenn beispielsweise in Viererrunden ein Spieler über ein Territorium von vier angrenzenden Regionen verfügt, im Duell müssen es sechs sein. Die Spielrunden enden, wenn nur noch ein Spieler Karten besitzt, danach gibt es für jeden wieder den vollen Satz mit zehn Spielkarten, zusätzlich Karten für eroberte Provinzen.
Die Karten müssen damit für mehrere Kampfrunden ausreichen. Wer keine Chancen sieht oder kein Interesse an der umkämpften Provinz besitzt, die jeweils der Besitzer der CONDOTTIERE-Figur festlegt, kann aussetzen. Der Kampf um ein Gebiet endet, wenn alle gepasst haben oder ein Spieler die Karte „Übergabe“ spielt. Der Wert der Söldnerkarten wird dann unter Berücksichtigung der Sonderkarten addiert. Der Spieler mit der stärksten Armee stellt dann einen Holzturm ins eroberte Gebiet und erhält den CONDOTTIERE.
Der Spielreiz ergibt sich aus den Kartenschlachten, die Prise Pfeffer bringen die Spezialkarten. So dient die Vogelscheuche dem Kartenrückzug. Eine ausgespielte Karte darf wieder auf die Hand genommen werden. Wer scheinbar mächtig mit einem 10er-Söldner in die Auseinandersetzung zieht, kann den mit Hilfe der Scheuche wieder zurückziehen. Der Wintereinfall zerstört auch manche Hoffnungen, da er alle Kartenwerte auf 1 reduziert, nur die Heldin bleibt verschont. Noch radikaler wirkt der Bischof, denn sein kirchlicher Einsatz beendet jeden Kampf.
CONDOTTIERE besitzt seine Stärken im Kampf zu dritt und zu viert, mit mehr Spielern kann es sich ziehen, da immer wieder neue Allianzen geschmiedet werden, die den Führenden ausbremsen. Die Jury Spiel des Jahres würdigt zurecht dieses Kartenspiel mit einem Platz auf ihrer 95er Auswahlliste.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: CONDOTTIERE
Verlag: Eurogames
Autoren: Ehrhardt, Dominique, Vitale, Duccio
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 - 90 Minuten
Preis: ca. 69.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 13/ 1995 R 104/2020
Zum Spiel:
CONDOTTIERE landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. 1995 gewann es auch den französischen Spielepreis Super As d’Or. Außerdem reichte es zum 10. Platz beim À la Carte Kartenspielpreis der Fairplay.
2007 gab es eine Neuauflage beim Heidelberger Spieleverlag.