Donnerstag, 23. Januar 2020
VERFLIXXT!
Alte Schätze neu gehoben
Vor 15 Jahren hatte das Kramer&Kiesling Spiel VERFLIXXT! gute Chancen auf den Titel „Spiel des Jahres“. Das leicht zugängliche Familienspiel musste sich letztlich dem damals innovativen NIAGARA geschlagen geben. Heute spricht fast keiner mehr über den reißenden Fluss und die Edelsteine, die es zu gewinnen galt, die Marke VERFLIXXT! ist dagegen in vielen Varianten danach im Hause Ravensburger weiter gepflegt worden und gehört aktuell zu einer der ersten Neuerscheinungen der 20er-Jahre.
Kramer und Kiesling konnten ihre Idee neubearbeitet bei Amigo veröffentlichen. Im Grundspiel steckt eine Veränderung, die den Zugang noch leichter macht, die Interaktion erhöht, das kribbelnde alte Spielgefühl aber beibehält. Das Material für den Klassiker von 2005 liegt bei, als „Profiversion“ kann das nominierte VERFLIXXT! gespielt werden.
In dem einfachen Laufspiel führen zwei bis sechs Spieler ab acht Jahren drei Spielfiguren über eine Laufstrecke, die variabel aus Punktetafeln zusammengesetzt wird. Da sammeln sie für die Endabrechnung Pluspunkte, oft genug kassieren sie aber kräftig Minuspunkte. Die höhere Zahl der negativen Felder wird zum Teil durch sogenannte Glückstafeln ausgeglichen, das waren früher die neutralen Plättchen. Neu im Spiel sind vier Aktionstafeln, die die Optionen „Schenken“ und rückseitig „Klauen“ eröffnen. Nach jedem achten Feld liegt im neuen VERFLIXXT! eine solche Tafel, die alle anfangs zum Verschenken auffordern.
Das Besondere an diesem Laufspiel ergibt sich aus der Regelung für den Kartengewinn oder die Aufnahmepflicht negativer Werte. Wer, allein auf einem Plättchen stehend, dieses verlässt, nimmt es aus der Bahn und eröffnet mit ihm einen „Tafelturm“. Das macht man gerne bei positiven Karten, auf negativen Kartenwerten harrt man lieber erst einmal aus, um auf Kontrahenten zu warten. Bei drei Figuren ist das Verweilen endlich und jeder Würfelwurf will abgewogen werden in Hinblick auf die Ziele, die erreicht werden können. Und da erweisen sich wie im Original die Kleeblattfelder als besonders umkämpft, da sie am Ende eine Negativwertung in eine positive verwandeln. Da braucht man dann sogar hohe Minuswerte, um das Kleeblatt effektiv zu nutzen.
Die vier neuen Sonderfelder verstärken die Bereitschaft, rote Minuskarten zu sammeln. Zieht man am Anfang von einer solchen Tafel, verschenken die Spieler das oberste Plättchen ihres Tafelturms. Planungstechnisch sollte das eine Minustafel sein, was aber gegen Ende nicht immer klappt. Derjenige, der in diesem Moment die wertvollste Tafel oben auf seinem Turm hat, bekommt diesen Minuswert. Im Gegensatz zu vielen anderen Kärtchen verschwindet die Sonderkarte nicht, sondern wird umgedreht zur Klau-Karte, mit der ein beliebiger Mitspieler bestohlen wird. Sobald der letzte Pöppel das Zielfeld erreicht hat, endet VERFLIXXT!. Alle nutzen dann ihre Kleeblätter und addieren und subtrahieren ihre gesammelten Punkte für die Abschlussbilanz.
VERFLIXXT! hat nichts von seinem lockeren Spielreiz verloren. Das Ausharren auf den starken Feldern, das Zittern, als letzter Spieler dort noch zu stehen, all das erinnert an das kribblige Gefühl vergangener Tage. Ein unterhaltsames Laufspiel, bei dem der Drang nach vorn nur bedingt eine Rolle spielt. Erster zu sein, lohnt sich nicht, da dann die Optionen für die restlichen Pöppel schwinden. Da im aktuellen Grundspiel auf die sogenannten „Wächter“ verzichtet wird, läuft die Variation zügiger ab. Wer das retardierende Element vermisst, kann die alte Variante ohne Probleme in Kombination mit den neuen Aktionstafeln spielen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: VERFLIXXT!
Autoren: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
Grafik/Design: Dominik Hüfner
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: 20 – 30 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 10/2020
Sonntag, 12. Januar 2020
TETRA GENIAL
Solo unterwegs
Wer nach einem Puzzle-Trainer für PATCHWORK, BÄRENPARK, UBONGO & Co. sucht, ist mit TETRA GENIAL bestens bedient. Das analoge Logikpuzzle von moses. stammt von dem Spieleredakteur, Produktentwickler, Designer und Autor Thade Precht, der seit 2019 für Haba arbeitet. Bekannt wurde er vorher vor allem durch Kreativbücher und Spiele. So hat er 2014 die RUMMIKUB-Variante TRAKKX bei Schmidt Spiele veröffentlicht und Bücher zu Knüpfbändern, Origami-Techniken und Holzschnitzereien. Mit TRICK 17 gibt er Tipps zur Freizeitnutzung und für Männer, die etwas gegen warmes Bier und dünnen Bartwuchs unternehmen wollen. Der diplomierte Produktdesigner ist ein Tausendsassa, der über 50 Logikaufgaben rund um 14 TETRIS-Steine entwickelt hat.
Wir bewegen uns bei seinen Denkaufgaben in der klassischen TETRIS-Welt. Die typischen Steinformen fallen von oben in das Spielfeld herab. Sie werden in vorgegebener Reihenfolge abgewickelt, dabei dürfen sie vor dem Rutschen nach unten in 90 Grad Schritten gedreht werden, aber nicht umgedreht. Zur Sicherheit sind daher die Rückseiten einiger Teile anders gefärbt. Wenn Zeilen gefüllt sind, wird das festgelegt. Die Begrenzungen der acht Spielpläne zwischen 5x5 und 7x8 Feldern sind einzuhalten. Ragt ein Stein nach oben über den Rand, wird das angezeigt.
Für die vielen Spielpläne entwirft Precht 54 Aufgaben, die anfangs ganz leicht zu lösen sind, aber schon ab Schwierigkeitsstufe 2 knifflig werden. Wichtigster Orientierungspunkt bleibt das Schließen von Reihen, aus dem lässt sich meistens das Legen der Steine logisch ableiten. Das bringt Denkspaß innerhalb ausgetretener Pfade. Damit fehlt TETRA GENIAL die eigentliche Genialität, wie wir sie beispielsweise in dem dynamischen Logikspiel SCHABEN JAGEN von moses. kennenlernen durften.
Die Umsetzung des Spiels mit sauber verarbeiteten TETRIS-Steinen aus zertifiziertem Holz gelingt dem Verlag gut, auch an der Spielanleitung gibt es nichts auszusetzen. Die beidseitig verwendbaren Aufgabenkärtchen und Spieltafeln hätten stabiler ausfallen müssen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: TETRA GENIAL
Autor: Thade Precht
Grafik/Design: Silke Klemt
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1
Spielzeit: 2 - 10 Minuten pro Aufgabe
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 09/2020
Samstag, 11. Januar 2020
PANIC ISLAND
Eine Dodo- Invasion droht der Spielwelt. Mario Arthur und Martin Otzmann haben den kapuzentragenden Nachtvogel mit DODORESQUE schon 2017 wiedererweckt. Dank des Gottes Gouga lebt er seit Herbst 2019 außerdem auf PANIC ISLAND weiter. Und Marco Teubner und Frank Bebenroth retten DODO-Eier 2020 im Kosmos-Programm. Unabhängig davon fungiert der DODO weiterhin als Zungenbrecher in DODELIDO EXTREME, das Jaques Zeimet 2020 bei den Drei Magier Spielen veröffentlicht.
Antonin Boccara hat ein gutes Gespür für witzige Spielideen. 2018 hat er mit ATTACK OF THE JELLY MONSTER auf sich aufmerksam gemacht. Ziemlich abgedreht und spaßig wie das Libellud-Spiel ist die Zauberei ABRA KAZAM! Verrückt geht es außerdem bei seiner Dodo-Rettung auf PANIC ISLAND zu. Ursprünglich erschien sein Spiel schon 2017 im französischen Verlag OLDCHAP Games. Zoch hat Boccaras Idee für den deutschen Markt im Herbst 2019 adaptiert.
Die friedlichen Tage auf der Dodo-Insel sind gezählt. Der das Eiland prägende Vulkan rumort und steht vor der Explosion. Ganze zwei Minuten, kurze 120 Sekunden, bleiben Zeit für die Rettung von Einwohnern, Dodos und deren Eiern.
Betrachtet man den Spielaufbau der Inselkarten mit dem 5x5 Kartenraster und dem mittigen Vulkan, wird sofort die Erinnerung an das grandiose MEMOARRR! wach. Und irgendwie hat sich Boccara wohl von Bartolinis Idee inspirieren lassen. Wie im ausgezeichneten Spiel der Edition Spielwiese prägt PANIC ISLAND der MEMO-Gedanke. Reihum decken ein bis acht Spieler jeweils zwei Karten auf. Sie sind auf der Suche nach farblich passenden Kartenkombinationen, durch die die Inselbewohner Dodos retten und die Laufvögel ihre Eier. Um der Lava zu entkommen, braucht das Team Floß und Paddel, um auf die vulkanlose Nachbarinsel zu fliehen. Alles wäre ja so einfach, wenn nicht Hinderniskarten die Rettungsaktion erschweren würden.
PANIC ISLAND ist ein kooperatives Rettungsabenteuer, ein SPEED-MEMO, das je nach Schwierigkeitshürde der aufgedeckten Hindernisse mehr oder weniger gut von der Gruppe bewältigt wird. Da das Team rote und gelbe Inselbewohner, Dodos und Eier rettet, sind die vorkommenden Farben in Erinnerung zu behalten und für Tipps zu verwenden. Die Hindernis-Varianz ist groß. Drei Paare mit Handicaps sind immer unter den Karten. Im Startdeck stecken allein zehn verschiedene Pärchen. Für die ersten Spiele wird das „Zeitalter der Entdeckungen“ empfohlen mit zwei Tornadokarten, bei denen sich die Akteure einmal um sich selbst drehen. Zusätzlich sorgt die Fata Morgana für Kartentausch und das Bienennest will von allen erschlagen werden. Des Weiteren sind Plätzetausch, Farbwechsel bei der Rettung, stummes Spiel und vieles mehr möglich.
Boccara bietet eine praktisch unübersehbare Vielfalt an Varianten an, die jede Runde neu ablaufen lässt. Fast wie im Legacy-Spiel lassen Autor und Verlag bestimmte Hindernis-Trios abarbeiten, was im Endeffekt zum Freischalten eines weiteren Kartendecks führt. Unabhängig von den Handicaps sollte das Team nie die Anrufung des Inselgottes Gouga vergessen. Solange die Zeit läuft dürfen dann alle reihum Personen, Dodos und Eier retten, wobei die Ansage der zu sichernden Karte aber exakt stimmen muss.
Wenn das Team nach dem Sanduhrrieseln Floß und Ruder besitzt, sammelt es Pluspunkte für jede gerettete Karte. Beim Maximum von 16 Punkten kredenzt Gouga höchstpersönlich ein Kokossüppchen. Sie werden sich am Anfang aber auch nach der Hektik der Kartenrettung mit fünf bis sieben Zählern zufriedengeben, denn damit ist wenigstens der Fortbestand der Dodos gesichert.
Man muss schon Hektik mögen, um Gefallen an der Dodo-Rettung zu finden. Im kooperativen Miteinander lässt sich der Zeitdruck aber aushalten. PANIC ISLAND bietet superschnelle, seichte Abwechslung, bei der sich alle manchmal zum Affen machen. Zur Startauflockerung jeder Spielrunde ist dieses schnelle MEMO-Spiel gut geeignet. Funktioniert angeblich auch solo, macht jedoch in größeren Runden am meisten Spaß. Bewegungsfaule Denkstrategen werden die Dodos sicher nicht retten, wer aber abwechslungsreiche Unterhaltung mag, bekommt möglicherweise sogar die Kokossuppe serviert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PANIC ISLAND
Autor: Antonin Boccara
Grafik/Design: Michel Verdu
Verlag: Zoch
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1 – 8
Spielzeit: 2 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 08/2020
Donnerstag, 9. Januar 2020
WUNDERKESSEL
Spiele mit einem besonderen Dreh werden zum Markenzeichen des Autorenpärchens Anna Oppolzer und Stefan Kloß. Die beiden Heidelberger entwickeln gemeinsam seit etwa sechs Jahren Spiele, wobei sie sich in der letzten Zeit als junge Eltern eher im Kinderspielsektor orientieren. Dabei sind so hervorragende Ideen wie SALAMAMBA (Piatnik) und aktuell das Lachsfangspiel GRIZZLY (Amigo) erschienen. Zeitgleich mit den Bären auf Lachsfang brachte Haba mit WUNDERKESSEL ein „magisch-verdrehtes MEMO-Laufspiel“ heraus.
GRIZZLY bespreche ich in der übernächsten spielbox, den WUNDERKESSEL an dieser Stelle. Etwas Aufbau ist nötig für den Brauwettbewerb von zwei bis vier Zauberlehrlingen, die sich an Zaubertränken mit Fliegenpilzen, Würmern und Fischgräten versuchen. Zur Prüfung hat sich der Schulmeister der Zauberschule Magica einen ganz besonderen Kessel einfallen lassen. Dieser zeigt in zehn Aussparungen die Zutaten jeweils zweimal, eine darunterliegende drehbare Farbscheibe wechselt ab und zu die Färbung der Ingredienzen. Alle 20 möglichen Kombinationen liegen verdeckt neben der Schachtel als MEMO-Plättchen aus, da finden sich dann die Würmer in den Farben blau, rot, gelb und violett wieder.
Wer am Zug ist, überprüft die Position seines kleinen Zauberlehrlings, der im Spielfeldrand eingeklinkt wandert. Er steht stets neben einer bestimmten Zutat, beispielsweise den violetten Würmern. Mit dem Zauberspruch „Hex, hex herbei!“ gelingt ihm vielleicht eine passende Suche unter den verdeckten Plättchen. Oppolzer-Kloß haben sich dabei die kinderfreundliche Lösung einfallen lassen, dass viele Treffer zählen. Finden sie die Farbe der gesuchten Zutat, was immerhin bei jedem vierten Plättchen eintritt, ziehen sie mit ihren Zauberer ein Feld am Schachtelrand voran. Decken sie die passende Zutat auf, was für jedes fünfte Plättchen gilt, geht es zwei Schritte vorwärts. Der Volltreffer bringt dann einen zusätzlichen Sprung und eine Zaubermünze. Drei davon lassen sich später gegen einen Zaubertrank eintauschen. Wer daneben liegt, was anfangs häufiger vorkommt, geht nicht leer aus, er darf sich immerhin geheim ein Zauberplättchen ansehen.
Immer wenn die Zauberlehrlinge eine Schachtelrunde beenden und am Stil eines Zauberlöffels vorbeikommen, haben sie einen Trank gebraut und erhalten ihn zur Belohnung in der Farbe, die aktuell im Löffel zu sehen ist. Anschließend verändern sie durch Drehen die Farbtöne im Kessel. Sobald einer der kleinen Lehrlinge drei Zaubertränke einer Farbe oder unterschiedlicher besitzt, endet die Zauberrunde.
Vordergründig ist der WUNDERKESSEL eines der üblichen MEMO-Spiele mit einer gewissen Varianz durch die Veränderbarkeit der Farben im Kessel. Der spezielle Dreh entsteht weniger durch die Farbdrehung als durch den Wertungsmechanismus. Da sich die Auslage der Zauberplättchen nicht ändert, kommen Kinder recht weit, wenn sie sich schnell die Lage aller fünf Zutaten merken, deren Treffer ja immer zwei Schritte bringt. Mit der Zeit gelingen ihnen so irgendwann Volltreffer. Oppolzer und Kloß gehen durchweg belohnend an alle Aktionen der Kinder heran, es gibt kein Totalversagen, da man sich mindestens ein Plättchen ansehen darf. Auch das Aufholen von hinten fällt leichter, da besetzte Felder nie mitgezählt werden. Die Idee der beiden Autoren hat Haba wunderschön und gut funktionierend umgesetzt. Eine gelungene MEMO-Variante, die Oppolzer&Kloß ihrer Tochter Emma Maria widmen, die sie „jeden Tag aufs Neue verzaubert.“
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: WUNDERKESSEL
Autoren: Anna Oppolzer und Stefan Kloß
Grafik/Design: Julia Bierkandt
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 07/2020
Dienstag, 7. Januar 2020
KIPPELINO
Wer von RHINO HERO von Haba angetan ist, wird Gefallen an KIPPELINO (NSV) finden. Wie das große Vorbild ist das kipplige Baumhaus von Reinhard Staupe ein Stapelspiel mit stabilen Pappkarten, als Trägersystem spielen runde Holzscheiben eine wichtige Rolle. Keine Säulen, wie in MENARA, sondern nur 0,5 cm hohe Scheibchen. Wer meint, damit käme er locker bis in die zwölfte Etage, wird sich erst einmal an KIPPELINO die Zähne ausbeißen.
Angesiedelt in einer Rabe Socke ähnlichen Welt, es fehlt nur der rot-weiß geringelte Strumpf, bauen Rabe, Waschbär & Co. an einem Baumhaus. Bautechnisch haben sie semiprofessionell ein Gelände abgesteckt, auf dem mittig zwei Holzscheiben liegen. Zwölf weitere Bauetagen sollen sich darauf erheben. Zwei Raben auf der Rückseite der Etagenkarten zeigen an, auf welchen der vier möglichen Bauplätze der nächsten Ebene wir die künftigen beiden „Etagenträger“ zu platzieren haben. Nicht drei, nicht vier, nein zwei Steine sind es nur, die die Etagenschichten tragen. Damit wird schnell klar, dass Staupe seinen Spieletitel ganz bewusst gewählt hat.
Wir starten zwar mittig, dann bewegen wir uns mit den Trägersteinen meist eher in die Randbereiche, gefühlsmäßig seltener in die Diagonale, die mehr Stabilität verspricht. Durch Hinausschieben der Etagen, durch Randplatzierungen der Bausteine, die ihre Felder nur berühren müssen, versuchen wir Balance zu halten. Manchmal macht es Sinn, die neuen Stockwerke gleich mit ihren zukünftigen Holzscheiben zu platzieren, um ein Gegengewicht zu bilden. Staupe lässt viel zu, er gönnt uns ja auch den kooperativen Sieg und unseren „Siegesjubel“ nach Setzen der zwölften Etage. Der Weg dorthin ist aber holzig und kipplig, oft genug scheitert die Planung der Raben-Architekten und das Baumhaus rutscht zur Seite weg.
Staupes Rabenturm wächst leider nicht in imposante RHINO-Höhen, trotzdem freuen sich alle am Ende über erreichte 12 Zentimeter, denn der Weg dorthin ist mit vielen Risiken verbunden. KIPPELINO ist ein erstaunlich pfiffiges Geschicklichkeitsspiel, das kooperativ am meisten Spaß macht. Starke MEMO-Spieler sind gefragt, die sich an die Positionen der unteren Aufbauten erinnern, und kluge Baumeister, die Tipps für die Lage der kleinen Scheiben und Etagenkarten geben. Staupe und der NSV-Verlag empfehlen KIPPELINO für Kinder ab fünf Jahren, Eltern und Großeltern werden gerne mitspielen. Sogar reine Erwachsenenrunden habe ich erlebt. In der ganz kleinen NSV-Schachtel steckt ganz schön großer Bauspielspaß.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KIPPELINO
Autor: Reinhard Staupe
Grafik/Design: Oliver Freudenreich
Verlag: NSV
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 1 – 4
Spielzeit: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 06/2020
Montag, 6. Januar 2020
HANS IM GLÜCK
„Ein typischer Heinz Meister“, bin ich versucht zu sagen. Genial einfach, schnell verstanden, zügig im Spielablauf und macht richtig viel Spaß. SCHWEINSGALOPP, DEJA-VU, KARAMBOLAGE waren solche Spiele. Der „typische Meister“ heißt diesmal aber Peter Wichmann und ist bisher eher mit Zoch unterwegs gewesen.
Wichmann greift geschickt die Tauschgeschichte aus dem Märchen HANS IM GLÜCK auf. Der fleißige Hans, der für siebenjährige Arbeit einen kopfgroßen Klumpen Gold erhielt und sich über die Bauernhof-Tierwelt vom Pferd und Kuh zum Schwein und zur Gans bis zum Schleifstein nach unten tauschte, fühlte sich „wie ein Sonntagskind“, als auch noch sein letzter Besitz in einen Brunnen fiel.
Wichmann lässt zwei bis vier Kinder ab sechs Jahren diese Geschichte reduziert nacherleben. Dabei geht es ihm nicht um die fragwürdigen Argumente der Tauschpartner, auf die Hans hereinfällt, das Glück am Ende, das durch ein vierblättriges Holzkleeblatt symbolisiert wird, ist ihm wichtig.
Die Kinder würfeln sich tauschend nach unten. Alle starten mit sechs Goldklumpen und werfen einen roten und blauen Würfel. Der rote Würfel gibt an, wie viele Plättchen man abgibt, um von der folgenden Tiersorte neue zu bekommen. Wie viele das sind, zeigt der blaue Würfel. Die Zahlenverteilung ergibt meistens Ergebnisse zu Ungunsten des Tauschenden, wie bei Hans aus Grimms Märchen. Der rote Würfel erfasst den Zahlenraum von zwei bis fünf, die Werte drei und vier kommen doppelt vor. Das blaue Pendant reicht nur von der eins bis zur drei.
Die Kinder müssen nicht handeln. Wem fünf Goldklumpen zu teuer für eine Kuh sind, der kann diesen Umtausch ablehnen und bekommt dadurch zusätzliches Gold. Wer Glück hat, darf vielleicht sogar zwei Kühe in drei Schweine tauschen und sobald die ersten Gänse vor den Kindern liegen, wird mitgezittert, ob die Würfel reichen, um ans Kleeblatt zu kommen.
Kinder sind begeistert von diesen Tauschgeschäften und haben schnell den Dreh raus, welcher Handel sich lohnt und welchen sie ablehnen sollten, um den Goldvorrat zu erhöhen. Die Runden enden meist knapp und obwohl alle vom Würfelglück abhängig sind, haben sie doch den Eindruck des eigenen Glückes Schmied zu sein.
HANS IM GLÜCK ist ein preisgünstiges, einfaches Tauschspiel mit hohem Glücksfaktor, das nah am Märchen bleibt, Vor- und Grundschulkinder gut unterhält und deshalb immer wieder hervorgeholt wird. Heinz Meister hat übrigens vor 30 Jahren für Schmidt Spiele ein HANS IM GLÜCK-Spiel erfunden, das allerdings hohe MEMO-Anteile besaß. Damals musste der Verlag beim gleichnamigen Spieleverlag in München wegen des Titels noch nicht anfragen, 2019 bedankt sich Haba für „das freundliche Einverständnis zur Namensgebung dieses Spiels“.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HANS IM GLÜCK
Autor: Peter Wichmann
Grafik/Design: Alexander Steffensmeier
Verlag: Haba
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 5 - 10 Minuten
Preis: ca. 7 Euro
Spiel 05/2020
Sonntag, 5. Januar 2020
DECKTECTIVE: BLUTROTE ROSEN
Abacus ist inzwischen Spezialist für originelle kleine Krimi-Kartenspiele mit den erfolgreichen Reihen 3 SECRETS und DECKSCAPE und vor allem SHERLOCK. Das italienische DECKSCAPE-Team Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino kreuzt aktuell das eigene DECKSCAPE-Prinzip mit dem spanischen SHERLOCK-System und fügt dem neuen DECKTECTIVE auf kleinstem Raum eine dreidimensionale Komponente hinzu.
Die Autoren versetzen uns ins späte 18. Jahrhundert. Graf Ferdinand Tudor ist vor seinem Herrenhaus ermordet worden. In einer Blutlache liegt er in einem Rosenstrauch neben der Auffahrt seines Schlosses. Das Besondere an DECKTECTIVE ist, dass sich dieses Anwesen der Tudors leibhaftig dreidimensional vor unseren Augen aus der Schachtel erhebt. Über eine gebogene Steinbrücke fahren wir Detektive in einer Kutsche auf das Chateau zu, das sich im eher heimischen Stil der Weserrenaissance vor uns zeigt. Das Team der Ermittler sieht sich am Tatort um, umrundet sogar das Schloss, den restlichen Ablauf kennen wir aus dem DECKSCAPE- und SHERLOCK-Programm.
Das Kartendeck wird dabei nur in einer vorgegebenen Reihenfolge abgewickelt. Wie in den SHERLOCK-Fällen erhalten die Spieler eine bestimmte Anzahl von Karten, über die sie nur beschränkt kommunizieren. Wer meint, eine hilfreiche Auskunft zu besitzen, spielt diese offen für alle aus, ist sie weniger wichtig, darf er sie entsorgen. Dabei lassen sich Chiacchiera und Sorrentino etwas Neues einfallen. Das Ausspielen der Karten hängt davon ab, ob der Kartenwert mindestens durch die Zahl der bis zu diesem Zeitpunkt abgeworfenen Informationen abgedeckt ist. Wer eine 6er Botschaft offenbart, dessen Team muss vorher schon sechs Karten entfernt haben. So spielen sich die Kriminologen durch etwa 30 Karten, bis sie die Lösung darlegen. Wie in SHERLOCK sind dazu zehn Antworten zu geben. Das Gesamtresultat wird dann gewertet, ein „gut gemacht!“ ist durchaus erreichbar. Auf Negativwertungen, falls wichtige Karten entsorgt wurden, verzichten die Autoren.
Der 3D-Tatort führt den Fall in eine noch nicht dagewesene Dimension. Die Rätselqualität ist allerdings nur auf einer leichten Stufe einzuordnen. Hier sind die BLUTROTEN ROSEN meilenweit von den EXIT-Fällen entfernt. Das Konzept dieser neuen Serie gefällt mir aber trotzdem gut. Die Mischung aus Kooperation und Selbstverantwortung, die SHERLOCK so erfolgreich macht, trägt auch hier. Diesmal muss man sogar zehn Karten abwerfen. Ein großer Vorteil von DECKTECTIVE steckt in der Vorsortierung des Decks. Das Problem des zufälligen Auftauchens oder Fehlens bestimmter Karten kommt damit nicht vor. Vorzug aller Abacus-Fälle bleibt, dass nichts verändert, nichts beschrieben oder zerrissen wird. Die Fälle spielt man zwar kein zweites Mal, aber kann sie weiterreichen und anderen eine Freude damit machen. Das sprengt natürlich mein Wertungssystem, da ich diesen DECKTECTIVE-Fall nie wieder spielen werde. Ähnlich gelagerte Aufgaben löse ich aber gerne nächste Woche wieder und sollten diese anspruchsvoller werden, dann gerne auch morgen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DECKTECTIVE: BLUTROTE ROSEN
Autoren: Martino Chiacchiera und Silvano Sorrentino
Grafik/Design: Alberto Besi
Verlag: Abacus
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 – 6
Spielzeit: ca. 45 - 60 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 04/2020
Samstag, 4. Januar 2020
AZUL: DER SOMMERPAVILLON
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten! Die Versteigerung bunter Plastiksteine geht in die dritte Runde. Ging es in dem grandiosen AZUL um die Fliesen des Palastes von Evora, mutierten die Fliesenleger in AZUL II zu Glasmeistern der Weltkulturerbe-Stadt Sintra. In AZUL III scheinen Autor und Verlag die konkreten portugiesischen Orte ausgegangen zu sein, nebulös arbeiten wir an einem fiktiven SOMMERPAVILLON im frühneuzeitlichen Portugal.
Dafür werden allerdings wieder „die besten Materialien“ verwendet, wie die Spielregel verspricht. Die gelobte Haptik von AZUL I ist jedenfalls aufs Neue in AZUL III erfahrbar, nachdem die Bonbons von Sintra ausgelutscht sind und erneut wertige Fliesen, diesmal in Form einer Raute, im Spiel sind.
Als Handwerker bewegen wir uns auf ausgetretenen Pfaden. Wir haben unsere Manufakturen für den Fliesenerwerb, bedienen uns, wie gewohnt, aus Monokulturen, füllen dadurch die Tischmitte, deren Erstzugriff wieder Strafpunkte bringt. Neu im Procedere ist eine Jokerfarbe, die sich über die sechs Runden stets ändert. Von den Jokersteinen muss immer einer mitgenommen werden, es dürfen allerdings nicht mehr sein. Daher laufen diese Steine eher als lukrativer Beifang mit.
Aufgenommene Rauten werden nicht sofort platziert, sondern erst, wenn alle Manufakturen und die Tischmitte leer sind. Dann füllt jeder nach Belieben seinen Sternplan des SOMMERPAVILLONS. Dort befinden sich passend zu den sechs Steinfarben Sternfelder, die mit ein bis sechs Rautensteinen gefüllt werden. Es wird zwar immer nur ein Stein gelegt, aber wer das 6er-Feld eines Sterns belegt, um dafür entsprechend viele Punkte zu bekommen, muss sechs Steine dieser Farbe abgeben.
Die Konstellation des Pavillons ergibt, dass die Sterne Säulen, Statuen und Fenster einrahmen, zusätzlich einen mittleren Stern, der Rauten aller Fliesenfarben erfordert. Daraus entwickelt Kiesling ein attraktives Bonusprogramm für Azul III. Auf Vorratsfeldern in einer Bonus-Rosette im Zentrum der Wertungsskala liegen Steine aus, von denen sich die Spieler bedienen, wenn sie Figuren und Fenster umschließen. Am schwierigsten ist dies bei den Fenstern, dafür werden die 5er und 6er Felder benötigt, deshalb gibt es hierfür drei Steine zusätzlich. Die Statuen bringen zwei Extrasteine, die Säulen nur einen, obwohl die meisten schwerer zu umfliesen sind. So gibt es nur eine einzige Säule, die zur Vorbereitung acht Fliesen braucht, alle anderen kosten zehn bis 16 Fliesen.
Das Spiel endet nicht, wenn ein Spieler ein bestimmtes Ziel erreicht, sondern ganz simpel nach der sechsten Runde, sobald alle ihre Steine verbaut haben. Wer dann Fliesen hat, die er nicht unterbringt, bekommt Minuspunkte. In den Vorrunden durfte man stets vier Rauten für die Folgerunde aufsparen. Vollständige Sterne und Sets in der Belegung aller 1er-, 2er-, 3er- und 4er-Felder bringen zusätzliche Punkte. Bester Fliesenleger ist wieder der, der auf der Kiesling-Leiste am weitesten vorne steht.
Wer meinte, das „Spiel des Jahres“ 2017 könne nicht getoppt werden, wird von dem SOMMERPAVILLON eines Besseren belehrt. Die Jokerfarben, das Bonus-System, die Möglichkeit, Steine aufzuheben, und die Wertungsboni für geschlossene Sterne oder vollständige Zahlensets führen AZUL auf eine neue Ebene. AZUL III ist nicht ganz so gemein, wie Kieslings erster Ausflug nach Portugal, dafür spielt es sich taktischer in der Anlage der Steinsammlungen. Die vielen Sternfelder bieten deutlich mehr Optionen als das enge Raster des Fliesenkaros von Evora.
Materialmäßig bewegen wir uns wieder auf dem hohen Niveau des ersten Spiels, zusätzlich empfinde ich optisch den symmetrischen Sternaufbau in AZUL III attraktiver, was vielleicht auch mit den Rautensteinen zusammenhängt, die ich den quadratischen vorziehe. Ich ziehe meinen Hut vor Michael Kiesling, dem nicht nur eine einfache Erweiterung gelingt, sondern der mit diesem Spiel die AZUL-Trilogie auf einer neuen Ebene perfekt abschließt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: AZUL: DER SOMMERPAVILLON
Autor: Michael Kiesling
Grafik/Design: Matt Paquette
Verlag: Next Move Vertrieb: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 45 Euro
Spiel 03/2020
Freitag, 3. Januar 2020
TINY TOWNS
Städtegründung sind DAS Spielethema in den letzten Monaten der Zehnerjahre. Mit dem Dorf in VILLAGERS (Kosmos) beginnt es, führt zu überschaubaren Örtchen in LITTLE TOWN (iello/HUCH!) und TINY TOWNS (Pegasus) zu modernen Großstädten mit Umweltproblemen und Kriminalität in CITIES SKYLINES (Kosmos), bis zu dampfgetriebenen Supergebilden, wie sie in STEAMOPOLIS (Corax) entstehen, oder zu Städten mit Mauern wie in ERA: DAS MITTELALTER (Pegasus).
Wir bleiben heute bei den einfachen Dimensionen, die LITTLE TOWN der Taguchis habe ich im Oktober schon gewürdigt. Peter McPhersons TINY TOWNS gefällt mir mindestens genauso gut.
Für den amerikanischen Autor aus dem Bundesstaat New York ist es die erste Veröffentlichung bei einem Spieleverlag. Seine Spielentwicklung erschien zuerst bei AEG, für die deutsche Bearbeitung zeichnen die Redakteure Martin Zeeb und Klaus Ottmaier von Pegasus verantwortlich.
Die Stadtentwicklung in TINY TOWNS läuft minimalistisch auf einem winzigen 4x4 Raster ab, trotzdem wundern sich alle am Ende, dass in den kleinen Städtchen nicht nur einige Landhäuser stehen, sondern Getreidespeicher, Schuppen, Klöster, Schenken, Theater, Fabriken und lila Türme, die einmal ein großes Mausoleum sein können, dann ein Palast oder Obelisk. Bis auf das Landhaus können alle Gebäudetypen in immer wieder neuer Variation im Spiel auftauchen. Von jeder Sorte gibt es eine Auswahl von vier Karten, die ähnliche Bau-, aber unterschiedliche Siegpunktbedingungen zur Folge haben. Die lila Gebäude werden individuell zugeordnet, wobei die Spieler unter zwei verschiedenen wählen würfen, alle anderen sind zu jederzeit für die Beteiligten baubar.
TINY TOWNS ist eine logistische Herausforderung, bei dem Ressourcenwürfel wie Holz und Stein auf dem kleinen Raster ausgelegt werden, um Baubedingungen zu erfüllen. Für das Landhaus sind so in dreieckiger Anordnung die Holzwürfel für Ziegel, Glas und Weizen nötig. Im Grundspiel werden dazu Ressourcenkarten aufgedeckt, wobei nach jeweils zwei Karten eine Ressource frei gewählt werden darf. Der Gebäudebau geschieht en passant und kann beliebig oft hintereinander stattfinden. Grenzen setzt nur das kleine Stadtraster. Daraus ergibt sich die Hauptaufgabe, denn jedes errichtete Bauwerk bringt zwar am Ende meistens Siegpunkte, nimmt aber Platz für Ressourcensteine weg. Damit wird TINY TOWNS zu einem raffinierten Puzzle, in dem die speziellen Bedingungen der jeweiligen Häuser optimal ausgenutzt werden. So sind die Landhäuser stets durch Speicher oder Bauernhäuser zu versorgen. Für viele Gebäude müssen orthogonale Angrenzungen oder das Vorhandensein bestimmter Bauten in Reihen oder Spalten beachtet werden. Manchmal zählt man aber ganz profan die Anzahl spezieller Bauwerke.
Da der Platz immer enger wird und minimal zwei Steine nötig sind, um ein Haus zu errichten, endet das Spiel individuell. Wer nicht mehr bauen kann, ist raus aus der Runde. Alle anderen dürfen weiter spielen, was durchaus noch zwei oder drei Runden dauert. Leere Felder zählen am Ende einen Minuspunkt, die Gebäude bringen die spezifischen Pluspunkte, die sich aus den jeweiligen Kartenbedingungen ergeben. Die effektivste Nutzung von Synergieeffekten führt meist zum Sieg, oft sind aber spezielle lila Türme das Zünglein an der Waage, da gibt es einige ganz starke Bauwerke, die die anderen in den Schatten stellen. So hilft der Obelisk bei der optimalen Platzausnutzung. Mit ihm muss ein Gebäude nämlich nicht auf einem der Felder der Ressourcenwürfel platziert werden, sondern darf auf ein beliebiges freies Feld gesetzt werden. Mit der Architekten-Gilde dürfen zwei Gebäude getauscht werden. Ist diese in meinem Besitz, baue ich zwei einfache Brunnen oder Schuppen und tausche sie beispielsweise in Handelsposten ein, die stets eine fiktive Ressource zum Umfeldbau mit sich bringen.
In TINY TOWNS sind alle immer voll eingebunden, es läuft ein Parallel-Spiel ab, das auf Vertrauen aller basiert. Wer sich mehr an den anderen orientieren möchte, sollte zur Hammer-Variante greifen. In der werden keine Karten für die Ressourcenwürfel aufgedeckt, sondern reihum wandert der Hammer und der jeweilige Besitzer bestimmt, was jeder nehmen darf. Meist spielen die eigenen Interessen dabei die Hauptrolle, gegen Ende schaut man aber schon, was den anderen in die Planung passt.
Durch die vielen verschiedenen Karten verläuft jedes Spiel anders. Für die ersten Runden wird eine einfache Konstellation mit vorgegebenen Häusern empfohlen, die bunte Mischung bringt dann aber erst den Reiz. Die Startpartien sind allerdings hilfreich, denn bei der Raumlogistik passieren anfangs immer Fehler, die zu späteren Blockaden führen. Da die Gebäude real als individuell gestaltete Holzhäuser auf den Plan kommen, wird TINY TOWNS außerdem zur Augenweide und besitzt haptische Qualitäten. Das wunderbare Material, die leichte Zugänglichkeit und vorhandene Spieltiefe machen aus der Idee McPhersons ein rundum ideales Familienspiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TINY TOWNS
Autor: Peter McPherson
Grafik/Design: Matt Paquette
Verlag: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1 – 6
Spielzeit: 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 02/2020
Donnerstag, 2. Januar 2020
PICTURES
Daniela und Christian Stöhr sind die fünften Preisträger des Hamburger Spielerfinderpreises. Zum Konzept der Verleihung des Spielwerks Hamburg gehört, dass stets ein Spieleverlag mit im Kooperationsverbund ist und die Autoren Ideen zu einem Thema einreichen. 2018 ging es um asymmetrische Spiele und mit im Boot war Kosmos. Das Ehepaar Stöhr nahm im Frühjahr 2019 die Auszeichnung für ihr Spiel PICTURES in Empfang, das dann zwar nicht bei Kosmos erschien, sondern in der kleinen Gemeinde Heidenau, vor den Toren Hamburgs gelegen, verlegt wurde. Dort hat der PD-Verlag seinen Sitz, der vor 25 Jahren als Buchverlag mit Lehrbüchern zum Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften anfing. Spieler kennen das Verlagshaus als Herausgeber der herausragenden Spielideen Mac Gerdts. 2005 starteten sie mit ANTIKE, später folgte CONCORDIA und TRANSATLANTIC, aber auch Kooperationen wie LA GRANJA, das aus der Zusammenarbeit mit Spielworxx entstand.
Auf seiner Homepage bezeichnet sich der Verlag treffenderweise als ein Spezialist für Strategiespiele. Ist PICTURES nun ein Nachfolger Gerdtscher Rondell-Strategie? Ganz und gar nicht. Im Grunde genommen passt diese kreative, assoziative Idee des Ehepaars Stöhr überhaupt nicht ins Verlagsprogramm. Aber vielleicht eröffnen sich hier neue Perspektiven für den Verlagschef Peter Dörsam, der seit fünf Jahren Bürgermeister von Heidenau ist, denn PICTURES ist ein hochkarätiger Rohdiamant, der nur etwas Feinschliff benötigt.
Knete, Stäbchen, Bilder für Zuordnungsüberlegungen sind im Grunde genommen nichts Neues. Daniela und Christian Stöhr arrangieren aber ein ganzes Materialpotpourri für ihre Spielidee. In ein über Buchstaben und Zahlen identifizierbares 4x4 Raster werden Bildkarten gelegt. Schöne Fotos, wie man sie aus alten Ravensburger Spielen wie LIFE STYLE oder SYMPATHIE kennt. Die Spieler erhalten unterschiedliche Materialsets zur Nachahmung eines Bildes. Der eine bekommt 24 kleine Farbwürfel, um sich pixelartig einem Foto zu nähern, die nächsten haben Bauklötze, Schnürsenkel oder eine Mischung aus Stöckchen und Steinen zur Verfügung. Schließlich bleiben 19 Symbolkarten, die kombiniert werden.
Ein Plättchen gibt das nachzubildende Foto vor, wobei es durchaus passiert, dass sich zwei oder sogar drei Spieler mit dem identischen Bild abmühen. Ohne Zeitdruck werden Schnüre geformt und Steine gelegt. Danach tragen die Beteiligten auf einem Auswertungszettel ein, welches Foto vermutlich die anderen darstellen wollten. Wenn die Spieler fertig sind, wird offenbart und gepunktet. Für richtige Tipps gibt es einen Gewinnpunkt, den dazu der kreative Gestalter erhält. Die Materialsets werden dann weitergereicht. Gespielt wird solange, bis alle einmal jedes Set nutzen durften.
Die Vielfalt der Materialien macht den speziellen Reiz von PICTURES aus. Da möchte man zwar am liebsten immer mit den Pixelsteinchen agieren, weil die scheinbar am leichtesten auf das Bild hinweisen, wogegen die Ablehnung gegen die widerspenstigen Schnürsenkel meist recht groß ist, da sich Bildkonturen mit den Schnüren nicht so gut darstellen lassen. Auch die Bildkarten erweisen sich als nicht einfach, da man nur maximal fünf nutzen darf und die außerdem nicht frei platziert werden dürfen, sondern nur in Reihe liegen. Aber nach einiger Übung geht alles. Beachtet werden muss zusätzlich die Blickperspektive, die vom jeweils legenden Spieler aus zu betrachten ist.
Als Partyspiel bietet PICTURES großartige Unterhaltung, wenn nicht die Beschränkung auf fünf Spieler wäre. Die Bildauswahl ist mit 91 Abbildungen arg überschaubar, da verstehe ich nicht, dass der Verlag nicht gleich Vor- und Rückseite der Fotokarten mit Bildern bedruckt hat. Im Feintuning spürt man, dass der letzte Feinschliff unterblieb. Laut Regel ist für die ganzen fünf Runden nicht vorgesehen, dass Fotos ausgetauscht werden. Das führt zu Redundanzen, die zum Teil soweit gehen, dass Bilder mit identischem Material erneut nachgestellt werden. Es gibt zwar eine Regelanmerkung dazu, dass die Spieler in einem solchen Fall vereinbaren, dass die Darstellung „anders ausfallen“ müsse. Aber wer erinnert sich denn in der letzten Runde an die Schnürsenkel der ersten? Viel einfacher wäre es, die benutzten Fotos auszutauschen, sodass in Vollbesetzung maximal 36 Bilder zum Einsatz kommen. Das ist sicherlich Meckern auf hohem Niveau, die Grundidee der Stöhrs trägt und macht Spaß. Ich gehe davon aus, dass damit eine Zweitauflage garantiert ist und die Feinjustierungen dann nachgereicht werden. Die entsprechenden Hausregeln können alle ja schon vorher nutzen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PICTURES
Autoren: Christian und Daniele Stöhr
Grafik/Design: Dominik Mayer
Verlag: PD-Verlag
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 – 5
Spielzeit: 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 27 Euro
Spiel 01/2020
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